Mittwoch, 19. Dezember 2018

Claas Relotius

Notizbuch

Fälschungen beim SPIEGEL

--

Fragwürdigkeiten stellen sich sofort ein, sobald man einmal anfängt, sie zu suchen. Wer arglos liest, merkt nicht weiter auf. Wer das Falsche sucht, wittert es bald überall. Es gehört zur Grundausstattung des Menschen, im Umgang mit Wahrheit und Wahrscheinlichkeit erstaunlich großzügig zu sein, solange kein Grund zum Zweifeln besteht. Dann ist die Bereitschaft, noch die unglaublichsten Geschichten für wahr zu halten, solange sie nur plausibel wirken, ziemlich grenzenlos. Darauf fußte der Erfolg des Claas Relotius. Und sein Elend wird nun ins Unermessliche wachsen, weil man ihm, dem Ertappten, am Ende kein einziges Wort mehr glauben wird.

--

Dabei ist er, Jahrgang 1985, auf angenehme Weise anders als viele seiner Altersgenossen, die oft mit starken Ideen und hohen Meinungen vor allem über ihre eigenen Fähigkeiten zum SPIEGEL kommen, um Hospitanzen und Praktika zu absolvieren. Relotius ist ein bescheidener Mensch, hoch aufgeschossen, zurückhaltend, höflich, aufmerksam, ein wenig zu ernst vielleicht. Insgesamt ein Typ, dessen Eltern man gratulieren möchte zu ihrem gelungenen Sohn. Er wirkt eher schwach in mündlichen Diskussionen, aber er ist ja auch noch keine 30 Jahre alt anfangs, als er ankommt beim SPIEGEL, im Frühjahr 2014. Ein neuer, freier Mitarbeiter, der Anlass gibt zu schönen Hoffnungen. Er hat noch kein Büro, keine Hauskarte, er arbeitet auf Honorarbasis, und er verdient nicht schlecht.  (spiegel.de)


--

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen