In der politischen Grundsatzdiskussion gibt es immer den Punkt, an dem man die Kritiker fragen muss: "Wie hätten Sie's denn gern?" Und dann muss man hinzufügen: "Aber konkret bitte! Wirklich konkret!"
"west-problem
Das größte Problem hat wahrscheinlich der Westen. Da wird stets und ständig Demokratie propagiert und Freiheit - wenn es aber (besser?) passt, wird eben auch mal ein Diktator gestützt. Eine Ausrede wird man schon finden ("sorgt für Stabilität", "gewährleistet Ordnung") auch wenn man damit wohl oft meint, dass der Zugriff auf Rohstoffe gewährleistet ist oder eine Absatzmarkt für irgendwas... Wasser predigen und Wein trinken... Wenn dann eine Bevölkerung die Sache selbst in die Hand nimmt, dann ist man im Westen plötzlich sprachlos und eier nur noch rum.
Damit ist der Westen in der arabischen Welt wahrscheinlich recht unglaubwürdig (geworden) und im Prinzip wag ich mal die Vermutung, dass so etwas erst recht Tür und Tor für Extremisten aller Art öffnet."
Nun muss man fragen -- nachdem der Schreiber dieser Zeilen ja wahrscheinlich nicht auf den Kleinen Antillen, sondern in Deutschland lebt, warum er in der doch relativ freien Gesellschaft, in der wir hier so sind, nichts unternimmt, um den Zustand, den er kritisiert zu ändern. Denn solang bei jeder sich bietenden Gelegenheit "der Westen" oder "unsere Politiker" angeführt werden und es beim bloßen Gejammere bleibt, ist da natürlich auch und erst recht das Herumgeeiere der Kritiker zu konstatieren. Und auch das oben -- nicht so ganz passend -- eingeführte Wasser predigen und Wein trinken lässt sich trefflich anführen: Unsere gutmenschlichen Kritiker in den entsprechenden Foren genießen sehr wohl die angenehmen Zustände, die durch knallharte, oft tatsächlich verbogene Intressenpolitik der Außenpolitik herbeigeführt und erhalten wird. Sie haben die Autos, die mit dem Benzin fahren, das durch Diktatorenunterstützung gesichert wird. (OK, das passt jetzt hier nicht so ganz, weil Ägypten kein Erdöl hat. Aber der Friedensvertrag mit Israel ist indirekt natürlich auch Erdöl-Sicherung.) Klagen und sich gut und besser fühlen als die Politiker, das ist halt so unglaublich angenehm für's eigene demokratische Wohlgefühl.
Es gelten ein paar alte Sprüche, und die gelten für immer, liebe West-Kritiker:
Es gibt nichts Gutes, außer man tut es!
Man tut es selbst und klagt nicht ein, dass andere und im Zweifelsfall "die Politiker" gefälligst das Gute, das einem so vorschwebt, tun müssten!
Die Grundhaltung 'Wasch mir den Pelz, aber mach nicht nicht nass!' ist bequem und selbstgerecht.
Die Frage heißt also immer: Was schlägst du vor? Und warum trittst du nicht mit Konsequenz, z. B. durch Arbeit in der Öffentlichkeit, für deinen Standpunkt ein? Weil du zwar gerne anklagend herumschwadronierst, aber Angst hast vor der Kleinarbeit, die getan werden muss, wenn man etwas politisch verändern will? Ist es vielleicht das?
Jedes Land hat die Politiker, die es verdient!
Das ist ein politisches Axiom. Natürlich gibt es im Land immer die Guten. Die gab es auch im Januar 1933 in Deutschland. Aber wenn die Guten zu schwach oder zu untätig oder am Ende gar -- horribile dictu! -- zu dumm sind für politische Tagesgeschäft und für die politische Theorie, die wirkt, dann kommen die Halbguten, die Interessenpolitiker, oder, wenn' ganz blöd zugeht, dann kommen auch mal die wirklich Bösen an die Macht.