Heute raffe ich mich auf und erstelle eine Skizze des Werts und der Wertzuschreibung von Kunstwerken. Ich gehe dabei aus von einem Bild des Malers Otto Griebel, wie es in der ZEIT von heute auf der Seite 53 wiedergegeben ist. Es ist dies eines der Bilder aus der Gurlitt-Sammlung, die in diesen Tagen rauf und runter durch die Presse geht.
Dieses ist ein typisches Bild, das den Kunst-Laien sagen lässt: "
Das kann ich auch!" Was bedeutet das? Der Laie meint, dass Bild ist kindlich-naiv und ohne jedes malerische Können erstellt. Der Unterschied ist, dass ein Bild, das der Laie oder eines seiner Kinder erstellt, mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht auf dem Kunstmarkt landet. Die Frage ist: Warum nicht? An dieser Stelle erstelle ich mal eine Skizze auf, um besser sichtbar zu machen, wo und wohin ich mich mit meiner Argumentation jeweils bewege.
Der Laie glaubt, dass ein Bild seinen Wert im Wesentlichen durch das Können des Malers bestimmt ist. Findige Leute, wie etwa Walter Benjamin, haben da noch eines dazugesetzt: Das Werk bestehe aus dem physisch-materialen Gegenstand, also dem Maluntergrund und der in spezifisch verteilten Farbe darauf, + X. (Erstaunlicherweise hat jemand bei
culture.hu-berlin.de ein entsprechendes Suhrkamp-Aura-Buch einfach ins Netz gestellt.) Das X ist nicht pysisch oder sonstwie fassbar, und das eröffnet den Angriffspunkt für einen nachgerade wunderbaren Zirkel. Dazu gleich.
Nun also ist die soziale Komponente entscheidend wichtig: Der Maler hat sich dafür entschieden Maler zu sein, er ist Profi. Während Schriftsteller am Anfang oft einen Brotberuf und dann schriftstellern, ist das bei Malern seltener. Jedenfalls bei denen, die sich durchsetzen. Der Maler tritt in einer soziale Interaktion ein, die kurz und einfach oder langwierig und kompliziert sein kann. Er ist Maler von Beruf und geht ein entsprechendes Risiko, in diesem Beruf zu scheitern. Das gehör dazu. Die Kunstwelt will und fordert, dass einer Risiko geht!
Die soziale Interaktion, einfache Form: Der Maler macht, allein oder mit Freunden, eine kleine, selbst organisierte Ausstellung, und es kommt ein namhafter Galerist und sagt: "Ich würde mich freuen, wenn Sie demnächst einmal bei mir eine Ausstellung machen würden!" Kompliziert: Der Maler macht das mit dem Selbst-Ausstellen eins ums andere Mal, und es interessiert sich niemand dafür. Bis dann eines Tages ... Oder eben auch nicht. Wichtig ist nur, dass in der Interaktion Leute mitmischen, die als Kunsthändler oder Sonstwie-Experten im Rat Rang und Namen haben.
Es kommt das Kunstfremde, aber doch Entscheidende: Das Bild hat auf einmal einen Preis. Sei es, dass der Maler direkt verkauft, dass er über einen Galeristen verkauft oder das es -- meist von Jetzt-Besitzer und Dann-Besitzer -- eine Versteigerung des Bildes gibt. Wenn dieser soziale Prozess sehr erfolgreich verlaufen ist, kommt das Bild vielleicht sogar in ein Museum. Damit wird der Maler zusammen mit seinen Bild in das Who's-who der Kunstwelt eingetragen. Der Maler wird berühmt, und es beginnt, wenn alles gut geht, der Kreislauf aus Ruhmsteigerung und Preissteigerung. Mit der Unterscheidung von Preis und Wert soll auf schlichte Weise übernommen werden, dass ein Bild für einen bestimmten Menschen einen extrem hohen Wert haben kann, während es draußen in der Welt des Kunsthandels keinerlei Preis erzielen kann. (Eigenartigerweise machen die, die den Preis aushandeln, oft von dem entsprechenden
Oscar-Wilde-Bonmot Gebrauch.)
Nun, lieber Das-kann-ich-auch-Laie: Die Aura des Bildes wird dadurch geschaffen, dass Maler und Werk diesen sozialen Durchlauf bestanden haben. Es ist nicht das handwerkliche Können des Malers, das entscheidend ist, sondern die Tatsache, dass er das soziale Auswahlverfahren "Kunsthandel" erfolgreich absolviert hat. Aura ist, wenn sie meßbar werden soll, und hier schließt sich der Kreis: die Summe aus Bild, Maler-Ruhm und Kunsthandelspreis. Glaube keiner an Aura-Wolken, die man nicht sehen und nicht messen kann. Wer das tut, muss sich mit Recht einen Kunst-Esoteriker nennen lassen.