Samstag, 4. Mai 2019

Der Teufel und das Detail



SPIEGEL heute, S. 56

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Soeben bei der SPIEGEL-Lektüre, neuestes Heft! Hier mal aus der Online-Ausgabe. Das da oben noch mal im Kontext:

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Howe: Fadi hat einen Freund, der in einer Flüchtlingsunterkunft wohnt, zusammen mit seiner Frau und ihren drei Söhnen. Vor Kurzem wurde ihnen eine Wohnung angeboten, in Eidelstedt, im Westen von Hamburg. Er wolle die Wohnung nicht, sagte der Freund. Sie sei ihm zu klein, außerdem sei es von Eidelstedt zu weit zum Fußballtraining. Ich habe mir die Wohnung daraufhin angesehen: Ich finde sie mehr als angemessen.

Karram: Horst bat mich, bei ihm nachzufragen, was mit dieser Wohnung nicht stimmt. Der Grund ist einfach: Sie liegt im Parterre. Und wenn seine Frau zu Hause ohne Kopftuch geht, kann jeder Mann sie von draußen sehen.

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Zu weit zum Fußballtraining...! Da kann man schon mal ins Grübeln kommen, denke ich. Und dann auch noch das mit dem Kopftuch und der Parterre!

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Heimat. Wie ein Flüchtlingshelfer und ein junger Syrer auf Deutschland blicken. Exklusiv für Abonnenten. Seit dreieinhalb Jahren hilft Horst von Howe, 69, dem Syrer Fadi Karram, 28, dabei, den deutschen Alltag zu bewältigen – eine Abfolge von Glücksmomenten und Missverständnissen. Protokoll einer komplizierten Beziehung. Von Hauke Goos, Philipp Spalek (Fotos) 03. Mai 2019

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Es wird ja immer auf etwas absonderliche Weise mit Parallelen gearbeitet: (a) Die Flüchtlinge aus Schlesien und dem Sudetenland nach dem 2. Weltkrieg, (b) die Einwanderer aus Polen im 19. Jahrhundert, (d) die Russland- und Rumäniendeutschen, usw. Warum kommt da keiner darauf, dass es tatsächlich einen komplexen, aber gut fassbaren Abstand der Kulturen gibt, der dazu führt, dass die einen nie "integriert" werden mussten, während die heutigen Flüchtlinge und in einem bestimmten, gut fassbaren Umfang auch die Türken in Deutschland mit ihren Auffassungen und Forderungen sich selbst vor der Tür halten. -- Aus dem vorliegenden Fall:

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Howe: Ich würde Fadi und seine Frau gern mal zum Essen einladen. Wenn sie in Deutschland bleiben wollen, müssen sie doch probieren, was wir hier essen. Ich finde, sie sind nicht neugierig genug. Und ein wenig unhöflich finde ich es auch.

Karram: Schweinefleisch essen wir nicht. Und das Rindfleisch in deutschen Restaurants ist nicht halal; bei uns müssen die Rinder geschächtet werden. Das ist keine Frage des Geschmacks; es ist eine Regel. Außerdem schmeckt uns das deutsche Essen nicht. Es geht beim Einladen doch darum, was der Gast will. Wenn es dem Gast nicht schmeckt, ist ja auch der Gastgeber unglücklich, das will ich nicht. Es ist doch einfacher, wenn ich sage, was ich möchte – auch für den Gastgeber.

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Howe: Einmal funktionierte bei Fadis Herd das Ceranfeld nicht. Den Herd hatte er bei Ebay gekauft. Ich rief also bei Bosch an. "Ich habe eine besondere Bitte", sagte ich: "Das muss ein bisschen ruck, zuck gehen."

"Wann denn?", wollte der Kundendienstmitarbeiter wissen.

"In den nächsten drei Tagen."

Danach rief ich Fadi an: "Morgen kommt der Bosch-Fachmann. Um 9 Uhr."

Daraufhin sagte Fadi: "Das geht nicht, wir haben Ramadan."

Ich sagte: "Wenn du den morgen nicht reinlässt, bin ich nicht mehr dein Freund."

Karram: Es war Ramadan. Vom ersten Grauen des Morgenlichts bis zum Abend dürfen wir nichts essen und nichts trinken. Weil der Tag ohne Essen so lang ist, versuchen wir, möglichst lange zu schlafen. Um 9 Uhr aufzuwachen ist schlecht. 13 Uhr wäre besser gewesen. Außerdem: Wenn man in Syrien einen Handwerker braucht, kommt der auch abends um zehn. Oder am Wochenende. Ich wusste nicht, dass die Arbeitszeiten in Deutschland geregelt sind. Aber ich verstehe, dass Horst wütend war. Es tut mir leid.

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Und wenn dann noch das Geld auf den Tisch kommt ...!

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Fadi Karram bekommt im Monat 815 Euro Hartz IV (für sich, seine Frau und seine Tochter), die Miete in Höhe von 580 Euro wird vom Jobcenter übernommen. Fernsehen ist frei, ebenso die Krankenversicherung. Horst von Howe hat mit 16 eine Lehre zum Betonbauer gemacht, anschließend hat er Tiefbau studiert und dann Betriebswirtschaft. Als er mit 63 Jahren in den Ruhestand ging, hatte er fast 35 Jahre gearbeitet. Einmal las er, dass Deutschland viele Milliarden Euro im Jahr für die Flüchtlinge aufwendet. Er malte eine Zahl auf ein Stück Pappe: 25.000.000.000. Mit der Pappe fuhr er zur Halle, wo sie gemeinsam trainierten, und hielt die Zahl hoch.

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