Auf ein Neues! In der SZ von heute, Online-Bezahlversion, taucht dieser Hinweis auf, der sich, aus rein technischen Gründen, nicht als Text, sondern nur als Bild kopieren lässt. So sieht das dann aus:
Wenn man den Artikel aufruft, kommt auf der Seite das Wort selbsternannter nicht mehr vor. Was im vorliegenden Zusammenhang das Kopieren von Textausschnitten aus dem eigentlichen Artikel* sinnlos macht. Ich tippe also einfach erst mal ab:
Der Mann mit dem Doppel-F || Sergey Melnikoff ist ein selbsternannter Meisterfotograf -- und Russenhasser. Eine Ausstellung in Riga mit seinen Bildern wurde erst überfallen, jetzt geschlossen.
Wären wir jetzt in der Abteilung "Allgemeine Sprachkritik", dann ließen sich aus diesen wenigen wenigen Worten eine Reihe von Fragen ableiten, etwa: Doppel-F? Der Mann wird doch mit einem kleinen, also einen Doppel-f geschrieben! -- Bezieht sich das mit dem "selbsternannter" nur auf den Meisterfotografen oder auch auf den Russenhasser. Nun, der Gedankenstrich legt nahe, dass sich Melnikoff selbst zum Meisterfotografen ausgerufen hat und Russenhasser einfach ist. Das ist freilich schon eine insgesamt recht gewagte Interpretation. -- "... mit seinen Bildern ,,,"? Also sind wohl Fotos gemeint. Oder malt der Mann auch noch? Aber was soll's, Fotos sind natürlich auch Bilder. -- "... erst überfallen, jetzt geschlossen" Was ist der stilistische und inhaltliche Unterschied zu der weniger holpernden Formulierung "... erst überfallen und dann geschlossen"? Möglicherweise will uns dieser Satz mit dem jetzt ja was Besonderes sagen. Nämlich was?
Ok, aber darum soll es ja nicht gehen. Sondern, wieder einmal, um das unbedacht hingeworfene "selbsternannt", das
in diesem Blog bereits häufig ein Thema war. Hier und mit nichts als dem obigen Ausschnitt gefragt: Ist einer, der eine Ausstellung hat oder nun -- gut,
hatte --, ist der ein "selbsternannter Meisterfotograf". In der Tendenz richtig ist das Attribut, wenn dieser Melnikoff die Ausstellung selbst finanziert und bei ihm angestellte Menschen dazu gebracht hat, ihm das Attribut eines Meisterfotografen zu verleihen. Wenn ein anderer die Ausstellung organisiert hat, dann stimmt die Sache in der Tendenz so nicht. Die beiden, Fotograf und Austellungsorganisator, mögen freundschaftlich verbandelt sein oder sich gegenseitig pushen. Mein Gott, in welcher Beziehung zwischen Künstler und Galeristen ist das nicht der Fall? Und generell: Hat Andy Warhol, hat Jeff Koons, hat nicht Picasso sogar -- haben solche Leute nicht auch sich selbst 'ernannt'? Zum großen Künstler? Ich meine, wenn ich mich heute zum Bundeskanzler ernenne, was folgt daraus? Nichts. Außer dass die Leute denken, ich habe einen Schuss. Wenn's etwas werden soll, muss eine größere Gruppe an mich glauben und gewisse Schlussfolgerungen aus diesem Glauben ziehen. So auch bei dem Herrn Melnikoff. Er kann suggerieren, dass er Meisterfotograf ist, doch andere müssen das aufgreifen. Und wenn sie's tun, dann ist er kein "selbsternannter" Meisterfotograf.
Summe: Weg mit diesem einfältigen, pseudokritischen, modischen "selbsternannt"! Es wird doch nur verwendet, wenn einer noch nicht die kritische Größe erreicht hat, die dann denken lässt: Vorab selbsternannt oder nicht -- er ist jetzt ein Großer. Napoleon, Picasso, Warhol, Koons. In der Reihenfolge mal.
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* Nun gut, doch ein klein wenig Zitiertes:
"Streit um eine Ausstellung. Der Mann mit dem Doppel-F. Von Tim Neshitov || "Russe zu sein ist eine tödliche Sünde", sagt Sergey Melnikoff. || Sergey Melnikoff nennt sich selbst einen "amerikanischen Klassiker der Fotografiekunst", und dafür ist er eindeutig zu wenig bekannt. Er schreibt sich tatsächlich mit Doppel-F, auf französische Art, wie einst russische Adlige, deren Namen auf ein W endeten. Melnikoff ist US-Bürger sowjetischer Herkunft. Vor allem ist er darauf stolz, wie es ihm gelingt, Natur abzulichten. "Die Muse selbst öffnet ihre Seele in diesen Werken, im vorübereilenden Augenblick den Meister beschenkend mit dem einzigartigen Talent, das Schöne zu sehen", schreibt Melnikoff auf seiner Internetseite über sich selbst. Die dazu präsentierten Bilder könnten eine nordkoreanische Kasernenkantine schmücken."
Hier müsste man nun wissen, wo sich M. so selbst genannt hat, "amerikanischen Klassiker der Fotografiekunst". Hat er sich wirklich in der Vernisage zu dieser Ausstellung vorne hingestellt und das von sich selbst gesagt? Wenn ja, müsste das unter Mitteilung näherer Umstände genauer angeführt werden. Wenn nicht da, dann: Wann? Wo? Mit welchen Worten, möglichst in Englisch oder Russisch oder Lettisch dazu! Wenn es aber der Autor Neshitov -- nicht Neshitoff! -- mit der Fundamentalkritik hat, die Bilder in einer nordkoreanische Kasernenkantine und so, wozu schreibt er dann überhaupt diesen Artikel? Da wäre es doch am sinnvollsten, diesen Melnikoff -- wie sagt man im Deutschen doch so treffend:
totzuschweigen! Ich beispielsweise habe Melnikoff nicht gekannt. Jetzt kenne ich ihn.